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Aufbrechen und Auferstehen

Aschermittwoch ist vorüber, die Fastenzeit hat begonnen. Die Bezeichnung Fastenzeit gefällt mir besser als Passionszeit, Leidenszeit. Es geht nicht um eine Zeit des Leidens, sondern um eine Zeit der Vorbereitung auf Ostern.

Die letzten Tage Jesu beschreiben diese Vorbereitung auf Ostern eindrücklich. Es ist eine Vorbereitung in den neuen  Aufbruch, in die Auferstehung des Menschen mitten im Leben. Es geht um Befreiung und Neuanfang, um das, was auch das jüdische Pessach - Fest (Passah) ausmacht.

 


Am Vorabend des Pessach - Festes geschieht die Stärkung für den Weg durch die Mahlfeier Jesu. Dann folgt die Phase der Krise, die Verrat, allein gelassen werden, Ohnmacht und Hilflosigkeit, Leiden und Tod umfasst.

Anschließend kommt eine sehr besondere Zeit, die Zeit „Dazwischen“, ich habe vor Jahren den Begriff „In-between“  dafür gehört. Er gefällt mir.

Diese Zeit endet Ostermorgen mit dem Fest des Aufbruchs, der Auferstehung des Lebens, der neuen Verantwortung.

Es sind also vier Phasen: Stärkung und Gemeinschaft, Krise, die Zeit dazwischen und der Neuanfang.

Auch das Pessach-Fest beinhaltet diese vier Phasen, indem es sich die Geschichte des Volkes Israel mit dem Auszug aus Ägypten vergegenwärtigt. Gleichzeitig ist das Pessach - Fest, genau wie Ostern, ein Fest des Frühlings. Die Natur erwacht und  blüht auf, die Zeit „Dazwischen“ ist zu Ende.  

Es liegt nahe, in der jetzigen Zeit diese Phasen auf die Pandemie zu übertragen und gleichzeitig zu schauen, welche Parallelen es gibt und welche Sehnsucht und Perspektive in uns wohnen. Dies stärkt die Hoffnung.  Und Hoffnung ist mehr, als ein Warten auf bessere Zeiten oder sogar auf alte Zeiten. Hoffnung ist die Grundhaltung, dass das Leben immer einen persönlichen und gemeinschaftsbezogenen Sinn hat und ich an diesem Sinn mitwirken kann.

Schauen wir auf die Pandemie.

Ø  Gemeinschaft und Stärkung braucht es, um jede Krise zu bewältigen und um später in guter Vergegenwärtigung, sprich konstruktiver Erinnerung, das Leben neu gestalten zu können. Hier haben die Gesellschaft und auch die Kirchen versagt. Sterbende, Kranke, verängstigte Menschen brauchen Stärkung. Der Verzicht auf Mahlfeiern, Begleitung von sterbenden, ängstlichen, einsamen Menschen ist schwer erträglich. Mit Kreativität, Sorgfalt und gemeinsamer Suche -  durchaus mit klaren Einschränkungen und Regeln - wäre und ist viel mehr möglich gewesen. In der christlichen Tradition gibt es genug Beispiele, dass Menschen ein Risiko für andere eingehen, was ja in den Intensivstationen durchaus geschehen ist.  Ich rede nicht der Verharmlosung einer Pandemie das Wort, sondern suche Kreativität  und Verantwortungsbewusstsein für Wege und Lösungen, die der Nächstenliebe gerecht werden.

 

Ø  Pandemie ist Krise und in der Krise erleben wir alle in unterschiedlichen Abstufungen Leid. Um dies bewältigen zu können, braucht es die eben genannte Gemeinschaft und Stärkung. Denn die Krise unterbricht das Vertraute, nimmt die gewohnten Sicherheiten.  Auch Jesus wird in  der Krise auf seine Beziehung zu Gott und sich selbst zurückgeworfen, er muss Entscheidungen treffen, die seinen Lebensweg betreffen. Bis hin zum Tod.

Dies gilt in gewisser Weise auch für uns:

In der Pandemie werden die elementarsten Grundbedürfnisse und die Menschenwürde aller herausgefordert. Dahinter können wir nicht zurück und wenn wir es tun, erleiden die Menschen dasselbe wie Jesus. Egal ob sie im medizinischen Sinne sterben oder ob sie im Leben sterben. Es gibt einen Tod im Leben, ein Sterben, ein Alleingelassen werden. Es gibt ein unwürdiges Sterben, ein Verlassenwerden von den Menschen und auch das Gefühl, dass Gott nicht mehr präsent und erfahrbar ist. Menschen werden so krank, dass alle Lebensfreude verschwindet. Es hilft nach meiner Ansicht den Menschen nicht, sie mit dem Hinweis auf Jesu Leiden zu trösten. Sondern es hilft nur solidarisch und gleichsam in Vorsicht und Aufmerksamkeit den Weg der Menschen zu begleiten, für sie da zu sein, so gut wie wir das können und dürfen. Dazu gehört die Verantwortung jedem Anderen und sich selbst gegenüber. Alles Leben ist gleichermaßen wertvoll.

 

Ø  Zu einer Krise gehören auch das Auf und Ab, der fehlende Überblick, die hilflose Suche, die Fehler und Grenzen eines jeden Menschen. Aber auch unsere Möglichkeiten! Und zwischen der Krise und dem neuen Aufbruch gibt es eine sehr eigene, besondere Zeit. Über den Frühling nachdenkend kommt mir ein Bild. Die Blumenzwiebel ruht tief in der Erde, sie sammelt sich, entwickelt Kräfte und wächst langsam in der Erde. Und dann: Urplötzlich ist sie durch die Erde gebrochen. Die Zeit der Ruhe und des Innehaltens ist kostbar und nötig. Die Zeit zwischen Karfreitag und Ostermorgen versinnbildlicht dies. Wir erleben damals wie auch in der gegenwärtigen Krise, dass es „etwas“ auszuhalten gilt. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber es ist ein positives Aushalten, nicht ein depressives. Nicht mehr Furcht soll dieses Aushalten bestimmen, sondern der Aufbruch. Es stellt sich die Frage wie bei der Pflanze: „Was will und was kann bei mir ins Licht stoßen?“ Dies erfordert erst einmal wahrnehmende Passivität. Andererseits braucht es die Sammlung der Kräfte und die Entwicklung einer Sehnsucht, aus dem Dunkel ans Licht zu kommen, und dafür auch die eigene Aktivität.

 

Ø  Dann kommt Ostern. Bis dahin sind es drei Tage des Wartens, von denen berichtet wird. Drei ist eine symbolische Zahl, die verdeutlicht, dass alles seine Zeit und damit Geduld braucht. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Auferstehung Jesu, sondern auch für unsere persönliche Auferstehung ins Leben, in die Lebensfreude.  Ich erlebte vorletztes Jahr die orthodoxe Osternachtfeier im Kloster Niederaltaich. Die Menschen, die die Liturgie zelebrierten, tanzten und sprangen wild und voller Freude zum Fest  der Auferstehung durch den liturgischen Raum. Ich war tief berührt: Ostern ist das Fest des Lebens, der Freude und jeder und jeder ist eingeladen. 

Was heißt das in Bezug auf die Pandemie?

Wir wissen, dass nach dem Tod Jesu und nach seiner Auferstehung die Welt nicht besser wurde, aber eine Welt voller Perspektiven und Hoffnung liegt vor uns.

Für mich kann ich sagen:

Ich weiß:  ich bin getragen und geborgen auch im Leid und über alles Leid und Sterben hinaus. Und … Diese Welt kann jeden Augenblick durch mich ein kleines Stück besser werden, wenn ich mich an Jesus orientiere, aus seiner Gegenwart lebe, mich am Leben erfreue und alles Leben menschenwürdig, verantwortlich mitgestalte, so wie ich es kann.

Wenn ich die Angst zurücklasse und auch in der Pandemie im gegenwärtigen Augenblick mit meinen Möglichkeiten lebe. So ist jeder Tag ein Tag der Auferstehung und der Lebensfreude – in alledem.

Und wenn ich eintrete dafür, dass andere Menschen jeden Alters begleitet und würdevoll leben können, wirkt sich dies l(i)ebensfördernd aus. Dies betrifft die Kinder, die Jugendlichen, die jungen und älteren Erwachsenen - alle.

Möge dieser Frieden des Osterfestes und dieser Aufbruch ins Leben uns in den nächsten Wochen stärken und begleiten.          

Rüdiger Maschwitz – Ende Februar 2021